Es soll ja immer noch einige unwissende Menschen geben, die Oomph! für eine Band halten, die auf den verkaufsträchtigen Rammstein-Zug aufgesprungen ist. Das die drei Wolfsburger Jungs diesen Stil aber bereits seit dem Jahre 1993 konsequent durchziehen, dürfte diesem Kreis wohl kaum bekannt sein. Die wenigsten dürften auch wissen, dass Rammstein sich mittlerweile offen dazu bekennen, von Oomph! inspiriert worden zu sein. Sie gingen in ihren Aussagen sogar noch weiter und ließen verlauten, dass sie solche Musik wie Oomph! sie kreiert auch gerne machen würden. Soweit entwickelt seien sie musikalisch aber noch nicht. Alles klar! Wir haben es also mit einer außergewöhnlichen Band zu tun, die hier einmal näher beleuchtet werden muss.

Im Jahre 1990, der Blütezeit der Electronic Body Music, wurde das Trio von Dero (Gesang / Drums), Flux (Samples / Gitarre) und Crap (Elektronik / Gitarre) im niedersächsischen Städtchen Wolfsburg gegründet. Die Musik der Band war in diesen Anfangstagen ganz deutlich vom Sound der damals sehr angesagten englischen EBM-Band Nitzer Ebb geprägt. Die erste Single "Ich bin du" (1991) war somit ein treibendes EBM-Stück, das sich schnell zum Diskothekenrenner entwickelte.

Das 1992 veröffentlichte Debütalbum Oomph! konnte die hochgesteckten Erwartungen aber nicht erfüllen. Zwar ließ die Band bei einigen Stücken Gitarren mit einfliessen, doch als eigenständig konnte man ihren Sound zu dieser Zeit nicht bezeichnen. Beim Debüt handelte es sich um ein typisches EBM-Album, dass nicht aus der Masse der damaligen Veröffentlichungen herausragen konnte. Ihrem inhaltlichen Anspruch bei den Lyrics wiesen Oomph! aber schon zu dieser Zeit auf. Mit dem Albumstück "Gleichschritt" geriet die Band schnell ins Kreuzfeuer der Kritik. Den ersten richtigen Ärger gab es für Oomph! aber nach Veröffentlichung der zweiten Single "Der neue Gott". Die Band wurde daraufhin als rechtsradikal und gewaltverherrlichend bezeichnet. Das gipfelte darin, dass man im Szenemagazin Zillo offen als "Techno-Faschos" bezeichnet wurde. Kaum jemand verstand damals den offensichtlich ironischen Ansatz des Textes. Doch all diese unberechtigte Kritik hat Oomph! kaum geschadet. "Der neue Gott" lief sehr erfolgreich und avancierte zum grössten Discothekenrenner der Band.

Mit der 1993 erschienen Single "Breathtaker" folgte dann der Stilbruch. Leider konnten Oomph! mit dieser Veröffentlichung noch nicht vollends überzeugen. Das sollte sich aber mit dem folgenden Longplayer "Sperm" (1994) schlagartig ändern, denn das Trio präsentierte dem geneigten Hörer darauf erstmals ihre beeindruckende Melange aus typischen EBM-Sounds und harten sägenden Gitarren. Stücke wie "Suck, taste, spirit", "Das ist Freiheit" oder die Singleauskopplung "Sex" können auch heute noch vollends überzeugen. Textlich setzte man sich auf diesem Album, wie immer sehr kritisch, mit den Themen Aids, Gewalt und Kirche auseinander. Letzteres Thema sorgte dann auch für einigen Wirbel. Das unverkennbar kirchenkritische Stück "Feiert das Kreuz" brachte Oomph! wieder einmal schallende Kritik ein. Die Rezensenten erregten sich allerdings nicht am textlichen Inhalt des Stückes, sondern vielmehr an dessen Namen und schrieben die Band wieder einmal dem braunen Rand unserer Gesellschaft zu.

Auf dem folgenden Album "Defekt" (1995) traten die elektronischen Elemente konsequenter Weise noch weiter in den Hintergrund. Die Platte konnte dann auch gerade durch Stücke wie "Hate sweet hate", "Hello my name is cancer" und "Defekt" rundherum überzeugen. Hier brachte die Band auch erstmals ruhigere Elemente in die Songs mit ein, was in den folgenden Veröffentlichungen bis hin zum aktuellen Album "Plastik" bis zur Perfektion weiterent-wickelt wurde. Wie der Albumtitel schon sagt, beschäftigten sich Deros erstklassige Texte hier ausschließ-lich mit dem defekten seelischen Zustand eines Menschen.

Oomph!´s nicht nur musikalisch krasseste Veröffentlichung ist sicherlich das 1996 erschienene Werk "Wunschkind". Dieses Album ist die reine musikalische Achterbahnfahrt. Heftigste Gitarren wechseln sich ab mit für Oomph! bis dato unbekannten ruhigen Passagen. Inhaltlich setzt sich Dero auf das intensivste und, wie oben schon beschrieben, krasseste Weise mit Kindesmisshandlung, Behinderungen und seelischer Verkrüppelung auseinander. "Wunschkind" ist schon deshalb das am schwersten zugängliche Album des Trios.

Nach dieser Platte folgte dann endlich der längst überfällige Wechsel zum Major Virgin. Das Oomph! dort nicht wie viele andere Major-Bands, als bloßes Abschreibeprodukt gelten, bewies die groß angelegte Werbekampagne, die einiges dazu beitrug, dass die Band mit der Single "Gekreuzigt" in die Top 20 der deutschen Charts einsteigen konnte.

Das darauf folgende Album "Unrein" stellte dann auch die bisher beste Oomph! Veröffentlichung dar. Die harten Stücke wie "Anniversary" und "Meine Wunden" konnten ebenso begeistern wie die wundervolle Ballade "Foil". Der unbestrittene Höhepunkt der Platte ist aber das grandiose "My hell". Selten hat es eine deutsche Band vermocht einen Text musikalisch so stimmungsvoll umzusetzen wie Oomph! das bei diesem Stück vollbracht haben. Textlich holte die band zum Rundumschlag gegen die veralteten Institutionen der christlichen Kirchen aus.

Nach "Unrein" war dann beim Thema harte Musik die Speerspitze erreicht, und so schlagen Oomph! auf der aktuellen, äußerst gelungenen Single "Das weisse Licht" und dem jüngst erschienenen Album "Plastik" auch deutlich moderatere Töne an. Ausgefeilte Arrangements und einprägsame Melodiebögen sind das Aushängeschild dieser Platte. Insgesamt muß man sagen, dass diese Veröffentlichung der bis dato kommerziellste Release der band ist. Der Erfolg gibt Oomph! jedenfalls recht, den mit "Plastik" eingeschlagenen Weg weiter fortzusetzen. Die Platte konnte bis auf Platz 23 der Media Control-Charts vordringen. Allerdings sollte man nicht denken, dass es sich bei dem Album ein Weichspülerzeugnis handelt. Das es noch immer gewaltig rockt machen Stücke wie "Keine Luft mehr", Nothing is real" und "Goldenes Herz" ganz unmissverständlich klar. Der unbestreitbare Höhepunkt des Albums ist sicherlich der Poppige Song "Fieber", mit Nina Hagen als Gastsängerin. Dieses Stück wird auch die nächste Singleauskopplung aus "Plastik" werden. Ein Video dazu ist bereits abgedreht. Lassen wir uns überraschen.

Zur Zeit befinden sich Oomph!, als Support der englischen Skunk Anansie, auf ausgedehnter Europatour. In Rotterdam haben sie bereits vor 10.000 begeisterten Skunk Anansie-Fans spielen dürfen. Diese Tour könnte Oomph! somit auch den Durchbruch in ganz Europa bringen.

Ab Dezember 1999 folgt dann die eigene Headliner-Tour quer durch Deutschland. Los geht es am 01.12.99 in der Frankfurter Batschkapp. Der Tourabschluss wird am 19.12.99 in der Meier Music Hall in Braunschweig stattfinden. Ein Konzertbesuch kann jedem Leser nur dringlichst ans Herz gelegt werden, da man davon ausgehen kann, dass Oomph!´s energetische Live-Show auch dieses mal die deutschen Fans überzeugen und begeistern wird.

S.G.

www.oomph.de

Discographie

1991   Ich bin Du   12"/CDS

1992   Oomph!   LP/CD

1992   Der neue Gott   12"/CDS

1993   Breathtaker  CDS

1994   Sex   CDS

1994   Sperm  CD

1994   3+1   CDS

1995   Defekt   CD

1995   Ice-coffein   CDS

1996   Wunschkind   CD

1998   1991-96 Early works  CD

1998   Gekreuzigt  CDS

1998   Unrein   CD

1998   Unsere Rettung   CDS

1999   Das weisse Licht  CDS

1999   Plastik  CD

1999   Fieber   CDS